Daniel Zylbersztajn-Lewandowski, is the GB-Correpondent of the German newspaper taz. Der Grossbritannien-Korrespondent von taz, der Tageszeitung in London., taz, German Journalists in London.
Diese Woche in der Jüdische Allgemeine: Jeden Penny zweimal umdrehen: Lebenserhaltungskosten für jüdische Menschen in Großbritannien liegen nach einen Bericht weit höher, als für Nichtjuden.
Sind heute beide tot. Großvater, ein aus Berlin geflüchteter Jude, und Jeremiah der auf der Berliner Straße in Wiesbaden starb. Hier bei einem Seder als Jeremiah etwa 8 Jahre alt war. Foto mit Genehmigung der Familie. (c) All Rights Reserved
Kommentar
Ich habe heute den zweiten Bericht zum Fall Jeremiah Duggan veröffentlicht. Der erste erschien vor zwei Wochen in der taz_2015_05.
Letzte Woche sprach ich mit Experten und mit der Familie des Verstorbenen, besuchte sie privat zu Hause. Das Arbeitszimmer Erica Duggans gleicht einer Anwaltskanzlei oder dem Zimmer eines soziologischen und rechtswissenschaftlichen Institut. Akten liegen überall, aber auch zum Teil sorgfältig sortiert. Die 102 Jahre alte Großmutter noch unglaublich hell und für ihr Alter und immer noch mobil. Vielleicht hätte auch Jeremiah mit solchen Genen so lange leben können. Aber stattdessen starb er im Alter von 22 Jahren. Als ich in die Wohnung trat, zeigte mir Erica Duggan gleich das Portrait des Ur-urgrossvaters, er war Rabbiner vom größten Berliner jüdischen Friedhof, berichtete sie stolz.
Auch Hugo Duggan, der Vater von Jeremiah, ist voll beim Fall dabei, wobei er zugibt, dass sich am aller meisten seine geschiedene Frau damit beschäftigt. Er arbeite lieber viel, das, so glaubt man, hilft ihn sich mit anderen Gedanken zu bewegen. Doch die Erinnerung an Jeremiah kommt dennoch immer wieder, schon alleine deswegen weil die Familie sich immer noch um die polizeilichen Ermittlungen kümmern muss, und nun bald auch wieder in Deutschland. Immerhin haben sie jetzt ein neues Urteil hier in London. Doch sie sind nur teilweise damit zufrieden, ein “open verrdict,” der Tod als ungeklärt deklariert, ist noch keine Lösung des Falls.
Auch der angenommene Sachverhalt sei kaum richtig. Der Richter sagte, “Jeremiah wäre aus der Wohnung eines Freundes gekommen”, so Hugo Duggan, doch das waren weder Freunde noch kam er aus der Wohnung in der er übernachtete. Statt dessen glaubt man zu wissen, dass er wohl aus dem Schiller-Institut kam, den von der Wohnung, wo er angeblich übernachtete, ist es viel zu weit zu der Stelle, wo man seinen Leichnam fand. Auch wurde von dem Besitzer der Wohnung angegeben, dass er dort gar nicht in der letzten Nacht gewesen sei.
Wahrscheinlich lief er, unter Umständen in Panik, aus dem Schiller Institut und wurde verfolgt, und zusammengeschlagen. Für Hugo Duggan ist es egal ob Jeremiah deswegen starb, oder ob er verwundet und desorientiert auf der Bundestrasse von einem Auto angegriffen wurde. Experten glaubten nicht, dass ein Unfall auf der Straße statt fand, aber der gerichtsmedizinische Richter wollte den Experten nicht mehr Gravitas als den Autofahrerzeugen geben. Was Hugo Duggan wichtig ist, ist die Tatsache der Ausgesetztheit Jeremiah Duggans beim Schiller-Institut. Auch der englische Richter konnte einen Zusammenhang dessen und dem Tot nicht ausschließen, im Gegenteil zur Kriminalpolizei in Wiesbaden.
Man machte es sich wohl zu leicht dort. Das man bis heute bei den Fall nicht vollkommen und neu durchgreift, ist ein deutscher Skandal. Alle wissen heute, dass man erst die Minderheiten selber für ihre Ermordung beschuldigte, als die NSU in Deutschland das Morden angefangen hatte. Später musste man sich bis in die Instanz Schäubles dafür entschuldigen. Der NSU Prozess legte viele Probleme an den Tag, nicht nur darüber, was für schandhaft schreckliche Menschen es in Deutschland immer noch gibt, und wie inkompetent und ignorant so manche polizeiliche Verhander sind, wenn es um potentielle Hassverbrechen geht, und die Opfer ein Migrant, oder Mitglieder einer Minderheit waren, sondern auch welch riesige Probleme es innerhalb der Polizei und des Nachrichtendienste gibt.
Ein jüdischer Student wird tot aufgefunden, zur selben Zeit lief eine Konferenz des Schiller Instituts, zumindest dem Bundesnachrichtendienst und sicherlich den lokalen Polizeibehörden mussten die extrem rechten Ansichten des Instituts, ja die Beschreibung “politischer Kult”, bekannt gewesen sein. Und dennoch wurde über die Verbindung hierzu nicht ermittelt, wenngleich bekannt wurde, dass der Student mit der Organisation in Verbindung stand. Soll es heißen der BND, der in Wiesbaden eine signifikante Zentrale hat, wusste nicht wie beim Schiller Institut gedacht wird?
Ich stimme Hugo Duggan zu, dass es nicht klar ist, ob es Inkompetenz oder Absicht ist. Klar ist jedoch, dass zumindest aus britischer Sicht, die Tatsache, dass die neuen Ermittlungen von dem selben Beamten wieder geführt werden, der sich damals alles so blauäugig erklären konnte, eine Entscheidung ist, die die Suche nach Aufklärung und Justicia unterminiert. Und, dass diese Entscheidung auch noch von der Staatsanwaltschaft in Wiesbaden verteidigt wird, was soll man dazu noch sage? Soll man sich mit solchen Benehmen als jüdischer Mensch, oder Mitglied anderer Minderheiten in Hessen noch sicher fühlen, kann man sich darauf verlassen, dass potentielle Hasskriminalität in Wiesbaden aufgedeckt wird?
In Großbritannien hätte man nach Stephen Lawrence, längst eine Untersuchung der unabhängigen polizeilichen Beschwerdebehörde gehabt, und in einem Fall wie Jeremiah Duggan, wohl eine öffentliche Findungkommision ausgerufen, über welche dann ein Richter verfügt, mit voller Machtbefugnis Zeugen zu verhören, sowie die Weisheit der polizeilichen Ermittlungen und Entscheidungen in Frage zu stellen.
Als man feststellte, dass in England die Polizei beim Stephen Lawrence Fall nicht richtig nachforschte, ja sogar das Opfer und seine Familie selber für seine Ermordung verdächtigt wurde, wurde es zum Präzedenzfall institutionellen Rassismus innerhalb der Metropolitan Police in London. Wer bei der Sachlage wie bei Jeremiah Duggan keine allumfassende Untersuchung durchführt, der ist rassistischen Verbrechen gegenüber unaufgeklärt, und das ist ein Zustand, der im heutigen Europa, nicht zu sprechen von der Behörde einer deutschen Großstadt, vor allen Dingen im Hintergrund der Erfahrungen des dritten Reiches, in keiner polizeiliche Dienststelle, und Staatsanwaltschaft mehr existieren darf.
Das Schiller-Institut wird wohl im Namen der Demokratie toleriert (auch wenn sie Holocaustleugner als Gäste einladen), doch es ist Aufgabe des demokratischen Staates zu verhindern, dass die Freiheit einer rechtsextremen Gruppe nicht das Leben anderer schädigt. Gerade in Deutschland
Exclusive for the German Jewish national Juedische Allgemeine an article that assesses what iss important to Jewish votersm MPs and wonna be MPs in Great Britain.
Potentieller Ort des Shoa Memorials neben der Tate. |Potential location of the shoa memorial next to Tate Britain.
GERMAN: In London wird eine nationale #Holocaust Gedenkstätte gebaut. Man will dabei nicht sparsam mit den Fehlern des eigenen Landes sein. Doch manche wundern sich über das Vergessen einer Geschichte die viel mehr mit Entscheidungen London zu tun haben!
ENGLISH: In London a holocaust memorial is to be set up. Britain warrants not to be economical with the truth and British mistakes. But some observers note that another history whose decisions were actually made from within London has not yet got appropriate remembrance.
ENGLISH TRANSLATION (ALL RIGHTS RESERVED) (slightly altered with original quotes)
This text in a slightly shorter version was first published in German in the Juedische Allgemeine 14th April 2015:
Two months ago the British government announced, that it would make available the equivalent of around 67 million Euros for the construction of a national Holocaust memorial in London. Consultations concerning this proposal which brought together experts and survivors had gone on in the previous year. Amongst others they felt that too many different organizations had sought to obtain funding for holocaust related memorialisation. With the planned national memorial site the research and the remembrance are to be better managed and administered.
The new memorial site will be fitted with an integral educational centre using the latest technology. As a first and pressing step, survivor testimonies of the still living witnesses are to be recorded for posterity.
Despite the liberation of the concentration camp Bergen-Belsen through the British Army and the Allied victory 70 years ago, Great Britain’s image at the memorial site is not to be shown triumphantly, argues the Jewish historian David Ceserani, who was also privy of the consultation.
Ceserani said in particluar:
“It would be essential to show how Britain was involved in the fate of Europe’s Jews in the 1930s and 1940s and that in doing so it would also be absolutely necessary to confront the negative elements of the story.
In the historical preamble, the report mentions the appeasement of Nazi Germany, the grudging response to the refugee crisis, domestic anti-Semitism and fascism, internment, the closing of the Jewish national home to Jewish fugitives from Europe, and the patchy response to information about the mass murder of Jews during the war. The report in absolutely clear that the learning centre, which will be organically connected to the memorial, will present an honest appraisal of Britain’s relationship to the fate of the Jews and that it will not be ‘triumphalist’. Equally, the educational programme that will be developed over time will encourage young people to dwell on the ambiguities of the British response to Jewish suffering. It will not be a ‘whitewash’.”
Kurt Marx (c) Daniel Zylbersztajn
A group of aged holocaust survivors at the holocaust survivor centre Shalvata, the only such institution in the UK, welcomed the announcement to build a national Holocaust memorial site. Kurt Marx (89), who grew up in Cologne, and had fled with the Kindertransport to England, argues it should be a place that remembers and shows what evil humans are capable of performing. “In the beginning many thought Hitler was only a madman and he would not stay for long. But what he did, in spite of the fact that Germany understood itself as a civil society, “says Marx.
Marx is grateful to Britain for his rescue. But he remembers, that many Britons made no difference between him a German Jew and Nazis at the beginning,. Even today this would continue. At Shalvata he is not allowed to speak German, as it might upset some other attendees.
Belgian-born Sarah Espinoza, who escaped the Nazis just before the outbreak of war “on the last boat across the Channel to England”, as she says, reports shockingly how she spotted a sign during a recent visit to Belgium which read : “No Dogs and No Jews!” This is evidence that rampant anti-Semitism continues, she argues. “If you do not drum it into the heads of people, the Shoah will be forgotten and one day history may repeat itself,” fears the 90-year-old.
Chaim Olmert (87), survivor of numerous labour and concentration camps, demands, that the new centre will depict the Holocaust in all its complexity. He states how his wife’s family had been arrested by the British during their attempt to escape to Palestine and sent to prison in Mauritius instead. He adds, “It is important that the Holocaust is not thrown together with other genocides in the same pot, because it was a unique chapter in human history,” admonishes Olmert.
Where exactly the memorial will be located is as yet not entirely clear. Currently there are three possible locations however: Near Tower Bridge, next to the Tate Britain Gallery and in front of the Imperial War Museum. The suggested sites follow other findings from the commission concerning the holocaust memorial site, for many survivors were unhappy with the current London Holocaust monument erected in Hyde Park in 1983. They believe it to be too small and rather distanced from the centre of town.
But another group would rather welcome a memorial in Hyde Park. The former history teacher Oku Ekpenyon (69), she received an MBE for her initiative on African and Black history, has been campaigning for the erection of a monument in Hyde Park to commemorates the victims of the slave trade since 2002. In fact 2008 Ekpenyon received assurances from the London Mayor Boris Johnson hereto, but the project has been stalled ever since due of a lack of funds.
Model of the slavery memorial that was planned for Hyde Park | Modellbüste des Sklavenhandeldenkmals
Now that the government has announced, it intends to finance a Holocaust memorial, Ekpenyon wrote a letter to Prime Minister David Cameron, asking for government help: “The government claims it wishes to remember the human suffering of the Jews during the the Holocaust. With a fraction of the sum intended for the Holocaust Memorial, you can ensure that there is also a site that reflects on the time of slavery and the price African people paid for the development of this nation. ”
Star Wars actor Hugh Quarshie, one of the patrons of the slavery memorial campaign, argued:
“I think there should be a Memorial in every major capital city, just as there are tombs to The Unknown Soldier. It is not simply appropriate and important but essential because it would signify universal recognition that the attempted extermination of one group of human beings by another group of human beings is not just wrong but an absolute evil. We talk about The Holocaust because it it is still within living memory, was strategically planned, systematically executed and perpetrated by a nation claiming to be at the highest rank of civilisation, and extensively documented, recorded and even filmed. The word Holocaust is not to be used lightly; there are gradations ranging from mass murder to ‘ethnic cleansing’, to genocide. But it is my hope that such memorials would also testify to the atrocities of earlier holocausts not so extensively documented, but no less extensive in their scale or their atrocity: the near extermination of the indigenous people of South America by the Conquistadores, recorded by Bartolomeo de las Casas in his anguished Account of the Destruction of The Indies; and of course the Transatlantic Slave Trade. We can only estimate how many millions died during the crossings or were brutalised and worked to death after arrival. This was brutality on an industrial scale, carried out by nations claiming to be among the most sophisticated on earth; but there have been no apologies made or reparations paid. And it is precisely because there are no living witnesses that we need memorials to these horrors.”
Freddie Knoller (Foto HMT, mit Erlaubnis)
The 93-year-old Auschwitz survivor Freddy Knoller, born in Vienna, understands this. His greatest fear, he says, is oblivion and indifference – especially when the survivors will no longer be there. He sees the planned Holocaust Memorial as an important reminder to democracy, because something like the Holocaust could only rise out of dictatorship. Freddy Knoller’s lead for the memorial is however far more humane, “Let us love one another, not murder,” the old man begs, who has been himself, he claims, a life long optimist. “I never gave up!”
Daniel Zylbersztajn, wuchs im Münchner Olympischen Dorf auf. Eine Auseinandersetzung mit der Gedenkstättenkontroverse zu München 1972
Der ehemalige Münchner Olympiadorfbewohner Daniel Zylbersztajn ist freier Auslandskorrespondent in London. Er schreibt heute vor allen für die taz und die Jüdische Allgemeine @zylbersztajn http://dzx2.net
Eine Kurzversion dieses Textes erschien am 8.1. als Feuilleton in der Jüdischen Allgemeinen
An English translation is ready and available on request. An English Summary can be found at the end.
Als 1972 die Mitglieder der radikalen palästinensischen Black Septemberbewegung den Großteil des israelischen Olympiateams in die Luft jagten, wollte man sich die “heiteren” Olympischen Spiele, trotz Rufen nach einem Abbruch nicht nehmen lassen, schon bald gingen die Spiele weiter. Auch heute soll der Spaß keinem genommen werden. Olympiadorfbewohner protestierten lauthals gegen die auf sie gedrängte permanente Gedenkstätte vom Konzept des Architekturbüros Brückner + Brückner. “Hier ist unser Rodelberg,” verteidigte sich das Dorf, und „man könne das alles ja nicht bewachen.“
Ich bin ehemaliger Bewohner des Olympiadorfes, und gleichsam jüdisch. 1973 zogen meine Eltern, ich war damals drei, in das Dorf. Die Pläne dazu hatten sie schon vor dem Attentat gemacht und mein Vater wollte wegen der Geschehnisse nichts ändern. Er dachte sogar daran in der Connollystrasse, dort wo sich alles zugetragen hatte zu kaufen, den diese Wohnungen wollte nach dem Attentat niemand richtig und waren leicht zu haben.
Das Verhalten meines Vaters, einem Überlebender der Shoa, lässt vermuten, dass es ihm nun alles egal gewesen sein muss. Das Versprechen auf Wohnungen an einem noch ungeschriebenen neuen modernen internationalträchtigen deutschen Wohnort erschüttert, war das Olympiadorf wohl nun das gleiche Deutschland, wie überall anders auch, mit Straßen in welchen man vom düstere Schicksal der Juden in Deutschland erfahren konnte (auch wenn es hier nicht direkt auf die Schuld der Deutschen zu führen ist). Aber die deutsche Machtlosigkeit im September 1972 stand ja auch im Zusammenhang mit dem deutschen Selbstverständnis nach 1945, man musste erst wieder lernen mit Gewalt auch mit der Gefahr von Gewalt anderer umzugehen.
Das neue olympische Dorf hätte hier ein ungeschriebenes Blatt sein können, das Internationalismus feiert, so wollte man es als man sich das Konzept der Münchner Spiele ende der hippen 60ger ausdachte. Vielleicht war es das, was meine Eltern anzog. Ein Versprechen auf ein neues moderneres leichteres Deutschland. Und dann bekam es am Ende doch alles anders. mitverursacht durch fatale Fehlentscheidungen auf zahlreichen politischen und polizeilichen Ebenen deutscher Führungskräfte.
Der Connolly “Rodelberg” (c) Daniel Zylbersztajn
Die neuen nacholympischen Bewohner genossen und genießen das Leben im olympischen Dorf. Tatsächlich ist es eine Oase, in der auf der oberen Ebene keine motorbetriebenen Fahrzeuge stören, und Kinder ohne Gefahr spielen können. Auch ich tat dies. Und im Winter, da ging ich mit meinen Freunden auf vielen der Dämme tatsächlich rodeln. Der Hügel an der Connollystrasse, dort wo das Denkmal jetzt geplant ist, und von wo aus viele die Ereignisse 1972s beobachteten, war wirklich der höchste mit seinen etwa 20 Metern, mit Ausnahme eines noch besseren Rodelhügels, dem 15 Minuten weiter gelegenen Olympiaberg. So schlimm wäre der Bau einer Gedenkstätte am „Connollyberg“ dann doch nicht, höchstens weniger bequem, weil man ein bisschen weiter für mehr für den Spaß laufen müsste. Wenn man zusätzlich bedenkt, dass dieses Jahr gerade mal 10 Tage Schnee lag, sind Proteste zum Connollyhügel als geeigneter Ort für eine Gedenkstätte ziemlich fragwürdig.
Was da 1972 geschah, das vergaß man hier zumindest in den erste 20 Jahren einfach. Es wurde weder erwähnt, noch war es für die meisten sichtbar, mit Ausnahme jener, die im hinteren Teil der Connollystrasse lebten. Jeden fünften September pilgerten Funktionäre des Landes und der Stadt sowie der jüdischen Gemeinde zur Connollystrasse 31 und legten Kränze nieder. Nur kleine Steine fremder Besucher auf mehreren Ebenen häufen sich stets auf der steinernen Gedenktafel vor dem Eingang des Hauses.
So sah ich mich gezwungen, 1984 war es, glaube ich – ich war gerade inmitten der Pubertät und Identitätsbildung – mehrere Wände im Dorf mit schwarzer Farbe zu beschmieren. “Vergesst nicht 5.9.1972”!, schrieb ich in schwarzen Großbuchstaben unter anderen an das damals orange Wachhäuserl der Hochschulsportanlagen und beim Aufgang zum Dorf von der U-Bahn-Haltestelle.
Vergesst nicht 5.9.72! ZHS Anlage Einfahrt Connollystrasse München, c.a. 1984
Meine Kindheit, mein Aufwachsen, Teil meiner jüdische Identität waren in den Worten, die ich an die Mauer schrieb, mit einbegriffen, ganz im Gegenteil zu den meisten anderen Bewohnern, denen dies nicht sehr kümmerte. Wie viele andere jüdisch waren, weiß ich nicht, zumindest dachte ich lange, dass wir die einzigen jüdischen Bewohner des Olympiadorf waren. Als ich so die Wände beschmierte, hat mich einmal sogar jemand erwischt und ich bekam den Topf schwarzer Farbe, wie Pech auf meinen Kopf geschüttet, er war wütend dass ich schmierte, ich schimpfte zurück mit der Frage, wer denn hier nicht recht schaffend sei, „denn ich versuche nur die Leute an den 5. September 1972 zu erinnern, den sie vergessen wollen“.
Ein vermummter dürrer Mann steht im Obergeschoss der Connollystrasse 31. Männer schauen hinter ihm seltsam und ängstlich aus dem Fenster. Die Szenen der Übertragungen des Dramas während der Olympiade liegt tief in in meiner Erinnerung. Erst später wurde mir bewusst, dass die Familiarität auf Erinnerungen zurückgeht, was meine Eltern damals am Fernseher stundenlang bis in die Nacht fesselte. Wie enttäuscht und verunsichert sie sich damals fühlten, wo sie sich gerade dazu entschieden hatten, genau dort hinzuziehen, oder soll ich sogar sagen, wo sie sich vor 25 Jahre vorher entschieden hatten, Deutschland, und München, trotz allem was ihre Familien erlebt hatten, wieder zu ihrer Wahlheimat zu machen, kann ich nur vermuten. Kinder merken so etwas, auch im Alter von zwei bis drei Jahren, und die vielen Dokumentationssendungen und Filme darüber, machten sicher, dass es sich in mir vollkommen einprägte.
Bei späteren Besuchen meiner israelischen Verwandten begleiteten wir sie oft in die Connollystrasse und standen minutenlang vor der Gedenktafel. Es waren für sie belastende Momente dort. Ich wusste schon früh, dass hier etwas geschehen ist, was diese Familienangehörige sehr bewegte, auch wenn ich den Zusammenhang erst viel später verstand. Man diskutierte oft darüber, ob es richtig war, dass wir hier leben. Viele Jahre später, und selber aus dem Dorf ausgezogen, sollte bei jeden Besuch in München den Gang zur Gedenktafel in der Connollystrasse nahezu obligatorisch wiederholen.
Sportschiesser Olympia 1972 Poster im Durchgang eines der Häuser (c) Daniel Zylbersztajn
Aber es wäre gelogen, wenn ich nicht bestätigen könnte, dass es meist sehr gute Kinderjahre im olympischen Dorf waren, modern, mit vielen Spiel-und-Sportmöglichkeiten, und guter Grundschule, und wäre ich nicht jüdisch, so würde mich auch das 1972 Originalposter der Olympischen Sportschießer, dass man vor 10 Jahren in einen der Durchgänge im Dorf der Nostalgie wegen aufhängte, nicht stören. Ich denke dann immer, wie ironisch das ist, war es doch gerade das Fehlen von kompetenten Schafschützen unter dem bayerischen Sicherheitskräften, welches das Disaster mittrug. Vielleicht würde ich auch gegen das Aufstellen eines Denkmals protestieren, dass Kindern den Rodelberg nimmt, oder den Studentenberg und die Bewohner stets an den Terrortag 5.12.1972 erinnert?
Der Olympiapark und alles, was dazugehört, ist, heute gut in München integriert. Hier ist der Austrageort vieler Aktivitäten und Stunden der Freizeit und des Sportes. Aber wer durch die Welt reist, ich lebe seit 1991 in London, der weiß, dass Olympia 1972 für nichts anderes mehr bekannt ist, als das Attentat, und
(c) Daniel Zylbersztajn Olympiadorf Initiative. Ladenstrassen Ankauf
das Olympiastadion bestenfalls noch als ehemaliges Heimstadion des F.C. Bayern München. Engagement ist den Dorfbewohnern wichtig. Auch gegen den Bau des neues Bayernfußballstadions, im Ursprung geplant auf dem Gelände der Zentralhochschulsportanlagen am östlichen Rand des Olympiadorfes, protestierten die Olympiadorfler, genau, wie gegen eine magnetische Flughafentransrapidbahn, deren Strecke an der alten Olympiapressestadt entlang gehen sollte. Die Einwohnerinteressengesellschaft (E.I.G.) machte sich außerdem stark, Anteile der Ladenstrasse des Olympiadorfes selber aufzukaufen, um mitbestimmen zu können, welche Geschäfte es im Dorf gibt. Von solchem exemplarischen Bürgerbewusstsein können eigentlich viele lernen, dass bedeutet aber nicht, dass die kollektive Stimme immer die moralisch richtige ist.
Was viele Münchner Olympidorfler wohl nicht merken (wollen?), ist, dass die gesamte Welt auch wahrnimmt, dass hier im olympischen Dorf und dem Olympiagelände etwas fehlt, eine Gedenkstätte. Olympisches München und Terror laufen parallel zu Mexiko City 1968, Moskau 1980 und Los Angeles 1984. Es sind nicht die Medaillen und sportlichen Erfolge, nicht einmal das gute Leben im Olympischen Dorf, was weltweit im Vorschein steht.
Obwohl es trotz Prozess und dem Entschädigungsabkommen an die Familienangehörigen der Ermordeten im Jahr 2003 noch einige rohe Punkte in der Aufarbeitung des Massakers von 1972 gibt, vor allen persönliche Stellungnahmen der Verantwortung der bayerischen Polizei und des Geheimdienstes auf höchster Ebene (ex-Polizeichef Manfred Schreiber beispielsweise), kann man aber durchaus nicht mehr sagen, dass das Vergessen, so wie ich es einst auf die Wände des olympischen Dorfes verzeichnete, so besteht, wie einst.
Während ich 1990 noch telefonisch im Kontakt mit Ankie Rekhess-Spitzer, der einstigen Gattin des ermordeten israelischen Sportler Andre Spitzer stand – wir diskutierten die deutsche Mitschuld
Wegweiser zur Connollystrasse 31bei der U-Bahnhaltestelle (C) Daniel Zylbersztajn
und das Fehlen einer angemessenen Erinnerungsstätte schon damals – wurde bereits fünf Jahre später ein großes Denkmal vor dem Olympiastadion aufgestellt, auf dem die Namen der Ermordeten, darunter auch ein deutscher Polizist, auf Hebräisch und Deutsch stehen. Seit ein paar Jahren gibt es auch einen Wegweiser mit Bild und Text, beim nördlichen Ausgang aus der U-Bahn, die auf die Gedenktafel vor dem Haus in der Connollystrasse hinweist. Dies ist besonders wichtig, denn an ihm müssen alle die ins Olympiadorf gehen, vorbeigehen. Es gleicht in diesem Sinne meinem Graffiti aus dem Jahre 1984. Aber es gibt auch noch Punkte die falsch scheinen.
Teil der Wohnungen, in denen einst die israelischen Athleten lebten, gehört schon lange dem Max Planck Institut, “als deren Münchner Gästewohnung.” Wer tatsächlich in diesen Räumen ruhig schlafen kann, dem fehlt es wohl am Wissen oder Moral. Neben der Max Planck Gesellschaft fanden auch andere Menschen hier ein Zuhause, bei meinem letzten Besuch zur Weihnachtszeit, flickerte ein Weihnachtsmann in der Paterrewohnung rechts vom Eingang. Hier wurde am Fenster öffentlich frohe Weihnachtlichkeit an einem Ort des einstigen Terrors an Juden gefeiert. Ich erinnere mich, wie vor vielen Jahren hier einst ein handgeschriebener Zettel auf Hebräisch israelische Besucher aufforderte hier nicht Blumen zu pflücken. Anteilnehmende als Pest der Nachbarn. Und trotzdem ist es gut, dass das Leben im olympischen Dorf weiterging und weitergeht.
In Israel, gibt es viele Straßen in denen Terrorattentate verübt wurden und wo mit entschiedener Kraft das Leben weitergeht. Israelis sind geradezu berüchtigt dafür, dass sie nach schlimmen Ereignissen wieder aufstehen können. Nicht mehr als höchstens eine kleine Gedenktafel erinnert an besonders grausame Ereignisse. Warum also soll es mehr im olympischen Dorf in München geben, wenn es um israelische Sportler geht?
Die Ermordung der israelischen Athleten 1972 hat in der olympischen Geschichte inzwischen besondere Relevanz, genau wie 1968 ein symbolischer Wendepunkt für African Americanswar. Olympiaden sollen nicht politisch sein, sind es aber immer, zuletzt bei Sotschi für LGBT Rechte. Was alles jedoch übergreifen soll, ist, dass sich Menschen verschiedener Nationalitäten, Identitäten, Hautfarben, Religionen und Ethnizitäten, auch wenn sie miteinander im Konflikt stehen, im olympischen Sportkampf gemäß sportlichen Regeln gegeneinander gegenüber stellen. Jüdische Athleten und die des Staates Israels werden aber immer noch boykottiert, obwohl es viele andere Staaten gäbe, mit deren politischer Ausrichtung man nicht einverstanden sein könnte und deren Athleten man dann wohl auch boykotieren müsste. Und gerade der Boykott und die Attacke von Juden ist geschichtsträchtig, nirgendswo mehr als in Deutschland. Somit gilt, dass es nie wieder toleriert werden darf, dass eine Organisation aus politischen Gründen bestimmte Athleten als politisches Druckmittel betrachtet, deren Leben deshalb bedroht oder gar gewaltsam beendet.Wir haben das seit neuestem mit dem Geschehnissen in Paris wieder mal direkt vor Augen.
(c) Daniel Zylbersztajn
München 1972 ist deshalb zumindest olympisch gesehen ein riesengroßes internationales Wahnmahl. Deshalb soll man es nicht vergessen, deshalb ein Plan für eine große Gedenkstätte, welches sich mit den Dimensionen des olympischen Dorfes und des Olympiageländes messen kann. Sicherlich wichtiger als die neue gigantische Raumschiffselbsthuldigung des Autohersteller BMW die auf Teilen des alten Parkplatz im Süden der U-Bahn-Haltestelle Olympiazentrums genehmigt wurde.
Und genau deshalb sollte man die Wohnungen, die einst vom israelischen Olympiateam bewohnt wurden, dem Max Planck Institut abkaufen und in eine Gedenkstätte verwandeln. Die Groteske des “Gästehauses” eines wissenschaftlichen Institutes im Haus des ehemaligen Terrors sollte ein für alle Mal ein Ende nehmen. Aus
Tauben der Hoffnung? Verlassen Olympiazentrum Busbahnhof (c) Daniel Zylbersztajn
denkmalschutzrechtlichen Gründen mag ein großer Umbau dort jedoch schwer sein, denn das Dorf und die Olympiastätten sind seit 1998 geschützt. Hier deshalb ein Alternativvorschlag: Wie wäre es, wenn man die ehemalige und seit einigen Jahren brachliegende Bushaltestelle des Olympiazentrums in eine Erinnerungs- und Mahnstätte verwandelt? Über der U-Bahn-Haltestelle Olympiazentrum gelegen, kann man sich eigentlich keinen besser gelegenes Zentrum vorstellen, auch wenn man von dort aus nicht Aussicht auf die Wohnungen des ehemaligen israelischen Teams hat. Dazu reicht jedoch ein kleiner Spaziergang.
Keiner kann die Toten wieder zum Leben erwecken, doch die Namen der israelischen Sportler werden ewig auf dem olympischen Dorf lasten und die Bewohner können nur durch aktive Anteilnahme an dieser Geschichte beweisen, dass sie sich dessen bewusst sind. Statt Poster der olympischen Sportschießer, sollte man Bilder der Ermordeten aufhängen. Mehr als ein Museum, das nur auf Vergangenes verweist, könnte eine Stiftung den Sport zwischen Menschen aus sich im Konflikt gegenüberstehenden Zonen der Welt fördern und neue Brücken erschaffen.
Ob nun auf dem alten Busbahnhofgelände, auf dem Connollyrodelberg, oder ein paar hundert Meter östlich davon, wie es seit neuestem heißt, es wird richtig sein etwas mehr zu leisten als nur eine Gedenktafel oder ein Denkmal. Die Leichtigkeit und Heiterkeit des Olympiadorfes ist nun mal mit dem Ernst der Welt vermischt, das gehört genauso zur Erziehung der Kinder, die dort im Dorf aufwachsen, wenn sie älter sind, wie ihr sorgenloses Rodeln im Winter in jungen Jahren.
Bewusst sollen sie weiterleben, und gut leben im Dorf, und dürfen auch zeigen, dass es im Konzept und Realität ein ganz besonderer menschenfreundlicher Ort ist, weil ohne Autos, mit Ladenzentrum und künstlichen Springbrunnenanlagen, und viel grün. Doch auch mit klarer Sicht, für was das olympische Dorf in München für viele andere gilt, der Ort eines schrecklichen unvergesslichen historischen Ereignisses.
Demokratie bedeutet mehr als Unterschriften sammeln, sondern auch Geschichte und Zusammenhänge über lokale Begebenheiten hinaus verstehen und demnach handeln.
Am 15.1.2015 will man in einer öffentlichen Einwohnerversammlung des Bezirks München Milbertshofen, zu dem das olympische Dorf gehört) dieses Thema diskutieren und wahrscheinlich darüber im Kirchenzentrum des Olympiadorfes abstimmen.
(c) Daniel Zylbersztajn, All Rights reserved.
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Background: In autumn 2014 the inhabitants of the Olympic Village in Munich rejected the proposal for a memorial site to commemorate the slaughter of almost the entire Israeli Olympic team. Signatures were collected to prevent the winning design to be erected on a hill near the former Israeli team house. Many journalists and camera teams followed the unfolding drama in 1972 from precisely that hill which gives full view of the Israeli house in Connollystreet 31. Nearly half of the village’s inhabitants, mostly private owners of the many flats in which once the Olympic teams lived, argued, that the memorial site would destroy the hill on which their children engage in snow fun activities during the winter months (see www.sueddeutsche.de/muenchen/streit-um-gedenkort-fuer-olympia-attentat-das-ist-unser-schlittenberg-1.2163074) The Bavarian State has now proposed to erect the memorial slightly more to the East and yet again there was hostility. This, it was argued, was the „students hill.“ On the 12th of January 2015 the city of Munich is now hosting a civic meeting in which residents can make decisions about the memorial site. Amongst the invited guests are Bavarian Minister for Culture, the Munich Jewish Museum, and the chosen architects Brueckner and Brueckner whose design was chosen as the best amongst a handful of independent international proposals.
Journalist Daniel Zylbersztajn, now based in London, grew up in the Olympic Village, when his parents moved there in 1973. As far as he knows his was the only Jewish family there. He writes about the controversy concerning the memorial site and growing up Jewish there.
Part of this text was the lead commentary of the German Jewish Juedische Allgemeine on 8//1/15
Meine dreizehn besten Beiträge und Berichte des Jahres 2014. Besonderen Dank an die taz, die Jüdische Allgemeine und alle Redakteure, die mit mir arbeiteten. Ihr werdet selten genannt und seid immer essentiell.
My best 13 reports and articles from 2014. Special thanks go to taz, die Tageszeitung, the Jüdische Allgemeine and all the editors that worked with me. You are seldomly named and yet essential.
Endlich kein Randthema mehr. Bericht vom Gipfel gegen Frauengewalt in Konfliktzonen.
Antisocial subjectivity infringing the principle of >>Living Together<<. Wer hat angst vorm schwarzen Schleier. Kommentar bezüglich der Entscheidung des ECHR über das Verbot des Niqab in Frankreich.
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