
Dieser Sommer war einer der vollsten, journalistisch gesehen, seit Jahren, verantwortlich dafür war das Brexit Referendum. Bei alledem ist es vielleicht überraschend, dass manches von aus meiner Feder nicht einmal veröffentlicht wurde. Doch soviel verlangten Redaktionen von mir, dass zwei meiner Berichte im August, beide bestellt und befürwortet, es handelt sich um ein Interview und einen aufwendigen Bericht, nicht veröffentlicht wurden. Die Zeitung hatte mit dem Aufruhr in Großbritannien einfach zu viel bestellt. Im Grunde ist das immer ärgerlich, da gerade einer der Berichte in denen ich sechs Geschäftsführer interviewte, darunter auch große Namen, sehr zeitaufwendig war, sowohl für mich, als auch für die Geschäftsführer, die mir ihre Zeit zur Verfügung stellten. Das Interview war ebenfalls aufwendig, verhandelt und arrangiert mit Damien Chalmers, einen Professor der LSE aus seinem Urlaub in Südost Asien.
Solche Dinge passieren leider im Zeitungsgeschäft und leider sind beide Berichte inzwischen nicht mehr so aktuell wie sie im August waren.
Neben dem Brexitreferendum lief der Arbeiterpartei Wahlkampf, wo sich Jeremy Corbyn ein zweites Mal einer Wahl unter den GenossInnen stellen musste, siehe Der Kampf um den Kopf Corbyns.
In “Dem Alten immer noch treu” besuchte ich die zwei Bezirke Islingtons in London, von Jeremy Corbyn und seiner Parteivertrauten Emily Thornberry, sowie eine Veranstaltung des Herausforderers Corbyns, Owen Smith. Die guten Worte zu Corbyns kamen in seinem Bezirk von allen, so sehr schwärmten die Bewohner dort von seinem Einsatz als Abgeordneter, ganz im Gegensatz was parlamentarische Mitglieder der Partei von ihm dachten. Dennoch gewann Corbyn im September mit großer Mehrheit die Wahl zum Parteivorsitz.
Doch mein Einsatz für die Jüdische Allgemeine bedeutete auch, dass ich die Anklage des Antisemitismus in Labour untersuchen musste. In Labour und der Judenhass wurde diese Problematik deutschen Lesern vorgestellt.
In der Zwischenzeit gab es auch Anderes: Am 25. August erschien von mir ein Beitrag zu Prinzessin Alice, der verstorbenen Mutter von Prinz Philip. Die Zeitung nannte es “Die vergessene Helferin”. Im Grunde gab es hier nichts Neues, meine Recherchen folgten stark Hugo Vickers, ihrem Biographen. Doch ist ihre Geschichte weder in Großbritannien, und noch weniger in Deutschland bekannt. Alice hatte auf der einen Seite viele Menschenleben gerettet, dabei eine jüdische Familie, und kämpfte andererseits nach schweren Erlebnissen mit ihrer eigenen mentalen Gesundheit. Es führte zu einer bedauernswerten Beziehung zwischen Philip und seiner Mutter, der seine Mutter kaum sah.
Drei Tage vor dem Erscheinen dieses Berichtes, konnte man einen kurzen Kommentar von mir lesen, als in München ein Amokläufer um sich geschossen hatte, und die Stadt zum Stillstand brachte. Doch schon einige Wochen später würde ich bei einem ähnlichen Angriff (Zylbersztajn: Londons diffuse Terrorangst) eines mental instabilen Mannes in London. Ich bat sofort um die Erlaubnis, hierzu einen Kommentar verfassen zu dürfen, und so schrieb ich darüber, was wirklich Menschen in London terrorisiert. Die eigene Jugend mit gewetzten Messern. Das Problem heißt nicht Terror. Interessanterweise lebte ich eich einst 15 Minuten vom ersten und heute 15 Minuten vom zweiten Tatort entfernt.

Neben einem Rendezvous mit einem Roboter, kümmerte ich mich weiter um Großbritannien nach dem Referendum.
So fuhr ich für die Wochenendtaz in verschiedene Regionen Englands. Zuerst ging es nach Ost-und Nordlondon, wo ich der Antipathie gegen Osteuropäer nach dem Referendum nachspürte, und wie die davon betroffenen Menschen aus Polen, Litauen und Rumänien darauf reagieren. Daraufhin reiste ich nach Dudley, in den britischen Midlands, eine verarmte Gegend zwischen Birmingham und Wolverhampton, wo keine Gelegenheit fehlte ganz verschiedene andere (Im Land der Schuldzuweisung) zu beschuldigen.
Auch nach Batley, den Bezirk in Westyorkshire wo die Labourabgeordnete Jo Cox umgebracht wurde, wurde ich geschickt um die Atmosphäre in England nach dem Referendum aufzunehmen.

Ein anderer Besuch galt Witney in Oxfordshire, wo ich Larry Sanders, den Bruder Bernie Sanders im Wahlkampf für die englischen Grünen begleitete.
Auch die nächsten Monate versprechen interessant und voll zu werden, von politischer Ruhe kann hier, wie anderswo keine Rede sein. Bis März 2017 soll der Artikel 50 verabschiedet sein.
Währenddessen endeten auch meine acht Monate mit dem deutschen ADAC Reisemagazin, für welches ich an der Südengland Ausgabe aus London zentral mitarbeitete und fast unmögliche Anfragen herbei zauberte, wie eine Frau, die Butlerin ist, sowie eine andere Frau an der Spitze von McLaren. Für die Menschenprofile und den Hauptbericht für die Kulinarik reiste ich durch ganz Südengland, und traf speziell ausgesuchte Interviewpartner, und musste danach einstündige Interviews in wenigen Zeilen wiedergeben. Die Redaktion pries meinen Einsatz öffentlich in der Ausgabe, mit den Worten “Best Boy, der einfach alles mitmachte”, doch die Wahrheit ist, dass es im Grunde auch Spaß machte. Anders als in politischen oder sozialkritischen Berichten, ging es hier auch um das seltene Betreten exklusiver oder versteckter Welten. So sah ich was in einigen prunkvollen privaten Gutsbesitzen passiert, sprach mit verschiedenen Pfarrern über den Sonntagsbraten, oder observierte eine der wenigen Perückenmacherinen, die Perücken nach alter Tradition für Anwälte, Richter und Bischöfe herstellt. Nebenbei schwammen einer der Fotografen und ich nach der Arbeit bei rarer Gelegenheit in der Themse. Wahrscheinlich war es die schwimmende Kanalüberquererin, die ich ebenfalls für das Magazin interviewte, die uns dazu animiert hatte.
You must be logged in to post a comment.